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In Bannkreis Eines Romans
Ein Tag im Büro wird zum ganzen Leben. «Gatz» von Elevator Repair Service zeigt am Theater-Spektakel das Wesen der Geschichte.
von Stefan Busz
ZÜRICH — Der Mann kommt in das Büro, knipst das Licht an, legt den Regenmantel ab. Dann setzt er sich an das Pult, startet den Computer, wartet. Der Mann greift nach einer Ablage auf dem Tisch, er zieht ein Taschenbuch aus dem Stapel und beginnt, halb zerstreut, laut aus dem ersten Kapitel zu lesen. Andere Personen kommen in das Büro und beginnen still ihre Arbeit, sie bringen Post, suchen nach Akten, machen sich Kaffee. Aber der Mann liest immer weiter, immer weiter, Die Kollegen und Kolleginnen schauen ihm manchmal über die Schulter, später beginnen sie selber zu sprechen in der Sprache des Buchs. So geht es Seite für Seite. Am Schluss ist der Tisch abgeräumt, der Techniker hat den Computer, die nie funktionierte, schon längst weggebracht. Auch die anderen Menschen sind jetzt verschwunden. Das Licht geht aus. Aber erst wenn der Mann seinen letzten Satz sagt, ist die Geschichte zu Ende.
Ein Tag im Büro wird zu einem ganzen Leben. «Gatz», die Bühnen-adaptation von Scott Fitzgeralds Roman «The Great Gatsby» der New Yorker Truppe Elevator Repair Service, beginnt (in der Langversion) am Freitag um sechs Uhr am Abend im Aktionsraum der Roten Fabrik. Die Aufführung dauert dann geschlagene siebeneinhalb Stunden, und wer dann um halb zwei am Morgen in die Nacht hinaus tritt, verlässt einen Ort, der zu einem sehr vertrauten geworden ist. Denn hineingezogen wurde man in dieser Zeit in eine Welt, die ein Buch ist. Seite für Seite zeigte sich ein Spiel der Anverwandlung. Aussenstehende werden hier zu Teilhabern an einer Existenz, die, Wort für Wort, nur in einem Roman besteht.
Eine Einladung
So passiert es den Menschen auf der Bühne. Jeder und jede findet hier seine Figur. Ihnen ergeht es wie dem Erzähler Nick, auch er kommt als Zugereister in den Bannkreis des grossen Gatsby.
Das passiert auch den Menschen im Zuschauerraum, niemand kann sich dieser Aufführung entziehen. Jede Scene führt näher an das Geschehen heran – und wenn ein älterer Mann, der in der Pause noch draussen seiner Enkelin ein Käsebrot an der Bar gekauft hat, auf einmal auf der Bühne steht und Gatsbys Vater gibt, ist dies ein schönes Bild. Denn es zeigt, was die eigentliche Form des Theaters ist: eine Einladung für alle.
Man muss den Autor nicht kennen. Man muss sein Buch nicht gelesen haben. Man muss nichts über Dekomposition auf dem Theater oder andern Kunstschrott wissen. (Einzig English muss man in diesem Fall können.) Nur die erste halbe Stunde ist ermüdend. Dann aber sind wir über die längste Zeit hellwach. Denn es passiert aus dem gewöhnlichen Büroalltag heraus etwas, was in seiner Konstruktion staunen macht. Hier steht die Zeit still, aber ein Schreibmaschinenschlitten gibt die Stunden an. Hier in diesem Office wird die Post bearbeitet, aber zu lesen sind die einzelnen Seiten als Roman von Aufsteig und Fall eines Menschen. In diesem Spiel gibt es kaum eine Berührung, aber auf der Bühne zeigen sich heftigste Anzeichen von Liebe. Es braucht auch nur eine kleine Veränderung, einen Wechsel eines Anzugs oder eines Kleides, und schon sind die Figuren in einem anderen Zustand – Jim Fletcher, der eine Gatsby-Figur ist, strahlt dann aus dem Pink-Stoff heraus.
Höchst verspielt
Also eine höchst einfache Vorstellung. Regisseur John Collins, während elf Jahren Mitglied der New Yorker Avantgarde-Formation Wooster Group, beschränkt sich in der Inszenierung auf Fitzgeralds Sprache. Aus dem Strom der Erzählung heraus entwickelt sich das ganze Theater. «Gatz» ist aber höchst verspielt, raffiniert in den Bildern und auch in Ton. Der Soundtechniker greift manchmal in das Bühnengeschehen ein; seine Teetasse, die er auf dem Pult stehen hat, wird dort zum Requisit. Überall wird etwas fassbar in dieser Vorstellung.
Kurz vor Schluss legt Scott Shepherd, der die längste Zeit Satz für Satz, Kapitel für Kapitel aus «The Great Gatsby» gelesen hat, das Buch zur Seite, er ist nun ganz zum Erzähler Nick geworden. Frei trägt er die letzten Passagen vor, die von einem Ende einer Zeit sprechen. Wir wollen aber noch eine Weile bleiben, in diesem Büro, das auch unseren Roman meint. Aber draussen wartet schon der Nachtbus. Zurück in eine geschichtslose Zeit.